A state-funded coach reduced my decade of university study, publications and intellectual recovery from epilepsy to a casual assumption of modest schooling, treating biography as bureaucratic checkbox. This is not negligence but structural classism in a system that cannot process unconventional excellence and must therefore force it into deficit scripts. I responded by terminating the relationship, documenting the failure and reclaiming my narrative, refusing the deference such institutions demand from those who have fought back to competence.
Du hast Realschulabschluss, oder? … Ich brauch’ die höchste anerkannte Bildung, das ist wahrscheinlich der Realschulabschluss, nehme ich mal an.
Wahrscheinlich. Nehme ich mal an. Man hört das Kreuzchen im Formular förmlich mitsprechen. Auf der einen Seite der Leitung: ein Coach im Auftrag einer Gründerberatung, höflich im Ton, bürokratisch geschäftig im Duktus. Auf der anderen Seite: jemand mit über zehn Jahren Studium an vier Universitäten, darunter Exzellenz-Unis. Geschichte, Ethnologie, Kunst- und Musikwissenschaft, wissenschaftliche Publikationen, ein Promotionsangebot von einem der renommiertesten Professoren des Landes.
Kein lückenlos geradliniger Lebenslauf, sondern gespickt mit Krankheit und Brüchen. Aber eine Biografie, für die andere Workshops buchen. Und der Mann, der dafür bezahlt wird, diese Bildungsbiografie zu begleiten, haut spontan den Stempel drauf: Wird schon Realschule sein.
Die Äußerung wurde zur emotionalen Abrissbirne. Erstens, weil sie meine Lebensleistung entwertet und insinuiert: Ich habe dir nicht zugehört. Zweitens, weil sie sagt: Was du für zentral hältst, nehme ich nicht ernst. Es ist für mich irrelevant.
Mein intellektueller Weg, meine akademische Identität sind nicht bloß Talent oder Neigung. Sie sind das Ergebnis eines jahrelangen existenziellen Kampfes gegen eine schwere Epilepsie. Die Prognose der Ärzte lautete damals, ich würde — wörtlich — »dumm und behindert« werden. Meine geistige Leistungsfähigkeit ist zurückerobertes Terrain.
Der Satz des Coaches — der diese Biografie kannte — verwandelte sich damit von einer bloßen Respektlosigkeit zu einem Anschlag auf mein hart erkämpftes Leben. Mit einer flapsigen Annahme wischte er nicht nur meinen Lebenslauf vom Tisch, sondern meine erfolgreiche Überwindung einer lebensbedrohlichen Lage gegen erbitterte Widerstände und aus eigener Kraft. Er zielte auf den Punkt, an dem ich am verwundbarsten und gleichzeitig am stolzesten bin. Und das Schlimmste: Exakt das wusste er.
Es wäre auch einfach gegangen. »Wie lautet dein höchster Schulabschluss?« — eine neutrale Frage. Stattdessen: »Du hast Realschulabschluss, oder?« Keine offene Nachfrage, sondern ein Urteil mit Aufforderung zur Bestätigung. Ein Messerstich ins Gesicht meines Lebens. Er hielt nicht mal inne, sondern schob direkt hinterher: »Ist wahrscheinlich der Realschulabschluss, nehme ich mal an.« Die Wiederholung zementierte den Frame: Ich habe dich bereits einsortiert, bitte liefere mir jetzt die passende Auskunft dazu.
Dieses lapidare »nehme ich mal an« ist der Moment, in dem aus einem Menschen eine Fallnummer wird. Nicht weil ein Realschulabschluss minderwertig wäre, sondern weil hier nach unten weggekürzt wird, was nicht ins Kundenbild passt: bildungsfern, abgehängt, zweite Reihe. Klassismus im Fördergewand.
Also darf ich nochmal artig meine Biografie referieren. Der Coach quittiert das Gehörte mit einem beiläufigen: »Perfekt, ich werde das mal ein bisschen geordnet notieren…« Wie kommt ein Coach dazu, seinem Klienten nach mehrfachen Gesprächen über Studium und Uni so eine Frage zu stellen?
Zwei Möglichkeiten1:
Ignoranz. Coaches haben Standardprofile im Kopf: wenig Bildung, gescheiterte Selbstständigkeit. Unbewusst drücken sie ihre Klienten in Schablonen, selbst wenn deren Geschichte eine andere ist.
Selbstwert-rettendes Narrativ. Vielleicht kam der Coach mit meinem Anspruch nicht klar. Sachlich wirkte er überfordert. Manche Coaches ertragen es nicht, wenn ihnen der Coachee analytisch überlegen ist. Also wird heruntergeframed, um ein Machtgefälle zu erkünsteln.
Was auch immer bei dem Mann kaputt war: Nach zehn Sessions nicht begriffen zu haben, dass der Coachee Uni-Erfahrung hat, ist bemerkenswert planlos. Dafür reicht normalerweise ein IQ knapp über Toastbrot. Ein Coach, der das nicht mitbekommt, sollte sich fragen, wer hier eigentlich wirklich Nachhilfe nötig hat.
Die Aufgabe eines Coaches ist es, Potenziale zu erkennen, zu spiegeln, zu fördern. Das Wort Coach stammt vom ungarischen kocsi ab, was »Kutsche« bedeutet. Seit dem 19. Jahrhundert wurde es für private Tutoren gebraucht, die Menschen wie eine Kutsche von einem Ort zum Ziel bringen: von der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Ein Coach, der zentrale Ressourcen aktiv ausblendet, coacht eine fiktive Person. Er berät ein Phantom. Fachlich wertlos, strukturell kaputt. Er könnte ebenso mit einer Wand sprechen — was nebenbei gesagt auch weniger verletzend wäre.
Für die Themen, die für mein Startup entscheidend sind (Listung im LEH, Copacking, Rezeptentwicklung), gab dieser Mann offen zu, keine Ahnung zu haben. Seine einzige Antwort auf fachbezogene Fragen war der Verweis auf einen ominösen Freund bei Lemonaid. Natürlich kam der Kontakt nie zustande. Kein Sparringspartner, maximal Dolmetscher für Bürokratie.2
»Du hast Realschulabschluss, oder?« heißt: Alles, was du in den letzten zwanzig Jahren geleistet hast, erkenne ich nicht an; für mich gehörst du eine Schublade tiefer. Der Mann entwertete Jahre des Denkens, Lernens und Arbeitens in einem Anlauf und schrumpfte eine Identität, die sich über Leistung definiert, auf das kleinstmögliche Etikett: Das mit deinen vielen Stationen nehme ich dir nicht ab. Ist mir egal — für mich bist du ein x-beliebiger Fall.
Der Satz ist auch deshalb so aussagekräftig, weil er klassistisches Denken verrät, das im deutschen Förderapparat strukturell eingebaut ist. Wer in diesem Zirkus landet, ist in vielen Köpfen klar »schwaches Profil«. Da passt es nicht ins Narrativ, dass dort auch Menschen mit Lebenserfahrung, akademischem Werdegang und wissenschaftlicher Ausbildung auftauchen — Menschen, die krank wurden, Care-Arbeit leisteten und trotz prekärer Verhältnisse selbstständig geworden sind. Also kotzt das System die Wirklichkeit gleich mit aus.
Für seinen Bericht brauchte der Coach die »höchste anerkannte Bildung«. Was nicht in ein formal beglaubigtes Zeugnis passt, fällt durchs Raster mit eingebauter Bestätigungsschleife. Jahre in Uni-Bibliotheken? Seminare bei Wissenschaftskoryphäen? Publikationen, Projekte, gelebtes Fachwissen jenseits papierner Abschlüsse? Wird zu Null, solange es keinen Stempel dafür gibt. Ausgerechnet ein Gründungscoaching für ein Getränke-Startup mit Marken- und Gründerstory reduziert der Mann auf das bildungsärmste Etikett, das man ihr halbwegs plausibel anheften kann: »Wahrscheinlich Realschule.«
Meine erste Reaktion: Wut und der Impuls, ihm eine bitterböse E-Mail zu schreiben. Ich gewann die Kontrolle über die Situation zurück und entwickelte einen kühlen Plan, um mein Unternehmen nicht zu gefährden und Integrität zu wahren. Ich deeskalierte durch Klarheit und schickte dem Coach ein Schreiben, in dem ich kurz und kalt die Zusammenarbeit beendete. Ich zitierte seine Sätze wörtlich, benannte die Herabstufung und die Vertrauensbasis als unwiderruflich zerstört. Keine Diskussion, keine Rechtfertigung. Nur Fakt. Das zweite Schreiben ging an den Träger: Dokumentation der fachlichen Ungeeignetheit und der persönlichen Entgleisung. Zur Qualitätssicherung, nicht zur Rache.
Es geht nicht nur um diesen Mann, sondern darum, wie wir reagieren können, wenn ein System, eine Institution oder eine einzelne Person sich an unsere Geschichte und unsere Würde vergreift.
Wer selbst im Förderlabyrinth unterwegs war, kennt diese Schubladen. Der Staat lädt zu »Empowerment« ein, kann mit nichtlinearen Lebensläufen aber nichts anfangen. Die Demütigung trifft nicht diejenigen, die nie Zugang zu höherer Bildung hatten, sondern jene, deren Bildungsweg gebrochen verlief. Menschen, die gelernt haben, dann krank wurden, trotzdem weiterdachten, Projekte starteten — die zu viel Leben in zu wenig Schema gebracht haben.
Minimalanforderung an jeden, der beruflich Menschen coacht: Hinhören. Wer mehrfach von Studium, Exzellenz-Unis, Veröffentlichungen erzählt bekommt und trotzdem unterstellt, es werde wohl »nur Realschule« sein, hat kein Informations-, sondern ein Persönlichkeitsdefizit.
Für alle, die in diesem Apparat arbeiten: Wenn man Berichte schreibt, die über Förderung oder Ablehnung entscheiden, ist »nehme ich mal an« kein gangbarer Nebensatz. Es ist ein roter Stempel. Sätze können zu Verwaltungsurteilen werden, und Verwaltungsurteile können Leben zerstören, wenn sie mit Stereotypen arbeiten statt mit Augen und Ohren.
Ich wurde aus Bahn und Beruf geworfen, suchte nach einem Ausweg, erschloss mir Ethnobotanik und Trophologie, entwickelte Rezepturen mit heilkräftigen Botanicals. Aus Notwehr gegen Krankheit entstand HELLMUTH™, mein Nutraceutical Soda. Meine Leistungsfähigkeit ist zurückerobertes Terrain, kein Geschenk.
Und dann sitze ich da, mit einem Schatz in der Tasche, zehn Studienjahren in den Knochen, einer innovativen Geschäftsidee im Kopf, und werde von einem Mann mit klassistischem Bias in zwei Sätzen in Stücke gerissen.
Dass ich so naiv war, den Förderapparat für einen Verbündeten zu halten, soll keine Opferpose sein. Niemand ist verpflichtet, einem Hochstapler dankbar zu sein, der einem die Würde bespuckt. Wer seine Klienten gaslightet, verwirkt sein moralisches Anrecht auf Schonung. Betroffene haben jedes Recht, sich mit aller sprachlichen Klarheit dagegen aufzulehnen. Stellvertretend für alle, die Ähnliches erfahren, sich aber nicht wehren können.
Der Förderapparat ist stolz auf seine Formulare. Er misst akribisch. Realität verblutet im Raster. Was er weglässt, sind die Jahre in Krankenhäusern und Bibliotheken ohne Abschluss, Projekte und Publikationen ohne offiziellen Titel, das beharrliche Festhalten an einem Geist, der sich nicht zur Fallnummer macht. Ich bin die Arche, der Kapitän und die Taube mit dem Ölzweig. All das also, was für den Erfolg eines Solopreneurs entscheidend ist.
Die Hand, die mich immer wieder hochzieht: meine eigene.
Wer invalidieren will, könnte einwenden, dass sein Kopf nur mit Checklisten verstopft war. Im Gehirn-Standby rutscht ein »wird schon Realschule sein« raus, als säße vor ihm keine Lebensgeschichte, sondern Excel. Das ist jedoch unwahrscheinlich, da der Coach, als ich anfing, die Universitäten nochmal aufzuzählen, die Studienfächer sogar selbst ergänzte: »War das Kunst? War das deine Kunstgeschichte, was du studiert hast?« Das belegt, dass ihm meine früheren Erwähnungen präsent waren. Es kann keine kognitive Faulheit gewesen sein — er schob die ihm unbequeme Realität beiseite und besetzte sie mit Ignoranz, nicht Unwissenheit.
Sozialpsychopathen schreddern fremde Lebenskurven zu Konformitätsstaub, um sich selbst von der Wahrheit abzulenken. Ein Coach, der nach zehn Sitzungen noch Filter vor den Augen hat, während ihm jemand gegenübersitzt, der mehr geistige Vorleistung mitbringt als sein gesamter Kurskatalog, verwechselt Bürokratie mit Menschenkenntnis.



