Modern power demands as entry fee what only entry provides: wealth to acquire wealth, employment to secure housing, success to warrant investment. This recursive architecture—Heller’s Catch-22, Watzlawick’s communicative capture—emerges from collision: rational rules annulling each other, converting action into proof of impossibility. Where premodern societies barred access overtly, contemporary systems operate through paradox: the door exists, marked »open,« locked by its own opening.
Wer Geld braucht, bekommt keines. Wer es hat, bekommt mehr.1
Wohnungen verlangen Arbeitsverträge, Arbeitgeber Wohnadressen. Berlin fördert Innovation, sobald bewiesen ist, dass sie ohne Förderung funktioniert. Der Kredit setzt Bonität voraus, die Bonität den Kredit. Berufserfahrung: ein Schlosstor, das sich nur von innen öffnet.
Joseph Heller nannte das Catch-22.2 Der Bomberpilot darf nicht fliegen, wäre er verrückt — doch wer die Befreiung beantragt, beweist Zurechnungsfähigkeit. Wer fliegt, fliegt weiter. Wer nicht fliegen will, fliegt erst recht.
Lawrence Goldstein las darin das leere Bikonditional: »Du wirst genau dann entbunden, wenn du nicht entbunden wirst.«3 Form imitiert Vernunft, Inhalt negiert sie. Paul Watzlawick sah darin unsere kommunikative Architektur. Solche Strukturen entstehen nicht zufällig. Sie stabilisieren Macht, indem sie Handeln als Schuldbeweis kodieren.4
Regeln dienen der Kontrolle, treffen auf andere Regeln, die der Ermöglichung dienen sollten: die Kollision erzeugt das Paradox. Niemand hat es gewollt; es wuchert aus vernünftigen Vorschriften, die sich gegenseitig annullieren. Und wer darin scheitert, hat den Prozess falsch genutzt. Die Beweislast wandert zur schwächeren Seite. Das System konserviert Knappheit mit der Effizienz eines Uhrwerks.
Die Business Angels investieren nur in Teams — Einzelgänger zu riskant. Es sei denn, dieser Einzelne ist bereits erfolgreich genug, ihre Investition nicht zu brauchen. Banken verlangen Eigenkapital als Beweis der Kreditwürdigkeit, also das, wofür der Kredit beantragt wird. Crowdinvesting erst nach fünfzehn Tausend für Branding, zehn Tausend für Prototypen. Geld, um Geld zu sammeln, um Geld zu sammeln.
Reich muss sein, wer reich werden will.
»Sei innovativ, aber mache keine Fehler.« »Sei unabhängig, aber permanent verfügbar.« Die Sprache klingt vernünftig. Die Praxis verhindert Handeln. Der Einzelne soll rational agieren — jede rationale Handlung wird als Beleg ihrer eigenen Unmöglichkeit gewertet. Ohnmacht als Struktur, Zynismus als Überlebensstrategie.
Ethnologisch betrachtet ist das historisch jung. Prämoderne Gesellschaften kannten andere Modalitäten der Barriere: Kasten, Zünfte, Patronage. Dort war Durchlässigkeit offen blockiert, nicht paradox codiert. Die Regel lautete: Du kommst nicht hinein. Heute verriegelt man sie mit ihrer eigenen Öffnung: Du kommst hinein — sobald du drinnen bist.
Dieser Mechanismus entsteht in Systemen, die Rationalität und Gleichheit behaupten, aber Selektivität praktizieren müssen. Die Demokratie braucht formale Chancengleichheit. Die Ökonomie braucht Risikoabwehr. Wo beide kollidieren, emergiert das Paradox: Die Regel klingt neutral, wirkt aber asymmetrisch. Jeder könnte theoretisch — praktisch niemand ohne Startkapital. Die Formel: Gerechtigkeit minus Durchführbarkeit gleich Catch-22.
Ein Catch-22 lässt sich nicht lösen. Nur verschieben:
Den Rahmen wechseln: andere Instanz, andere Begriffe.
Das Kriterium brechen: nicht »untauglich«, sondern »fehlallokiert«.
Die Zeit entkoppeln: Voraussetzungen asynchron beschaffen.
Die Bank finanziert Gewissheit. Der Handel kauft Umsatz pro Quadratmeter. Der Kreis wird zur Geraden, sobald die erste Zahl verbucht statt behauptet ist. Aber die Ordnung lernt nicht. Sie wird überzeugt von Zahlen, die fließen; von Ritualen, die funktionieren; von Versprechen, die weniger ankündigen als beweisen. Die Regel: Beweise zuerst, Erlaubnisse folgen. Und wo eine Vorschrift noch immer Vernunft simuliert, während sie Handeln verhindert, bleibt nur: den Rahmen ändern, in dem Vernunft definiert wird.5
Die moderne Gesellschaft produziert diese Erfahrung serienmäßig. Eine gesunde Ordnung ermöglicht Wege, die sie nicht selbst annulliert. Wo der Lösungsversuch als Schuldbeweis gilt, herrscht keine Logik, sondern die Selbstverteidigung von Macht durch Form.
Der klügste Zug: nicht die Tür raffinierter drücken, sondern den Rahmen ändern, in dem Türen existieren.
Robert K. Merton, »The Matthew Effect in Science«, in: Science, Vol. 159, Issue 3810, 05.01.1968, 56—63.
Joseph Heller, Catch-22, New York, 1961.
Lawrence Goldstein, »The Barber, Russell’s Paradox, Catch-22, God and More: A Defence of a Wittgensteinian Conception of Contradiction«, in: Graham Priest, Jeffrey C. Beall, Bradley Armour-Garb (Hg.), The Law of Non-Contradiction, Oxford 2004, 295—313.
Paul Watzlawick, Janet Helmick Beavin, Doti D. Jackson, Pragmatics of Human Communication: A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes, New York 1967, 212—36.
Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States, Cambridge 1970.


